Allgemein
Tue das Richtige mit der richtigen Absicht
Es war einmal ein Mann, der ein Maultier besaß. Wenn er und sein Sohn unterwegs waren, ritt er auf dem Maultier und sein Sohn lief neben her. Als manche Leute dies sahen, kritisierten sie: „Warum sitzt er auf dem Maultier und lässt seinen Sohn laufen?“ Also hat der Mann seinen Sohn auf das Maultier gesetzt und ist selber neben her gelaufen. Daraufhin sagten wieder andere: „Warum reitet der Sohn auf dem Maultier, während sein Vater laufen muss?“ Also haben sie sich beide auf das Maultier gesetzt, da sagten Kritiker: „Warum sind die beiden so hartherzig, dass sie dem Maultier eine solch schwere Last zumuten?“ Da stiegen sie beide ab und liefen neben dem Maultier, und die Leute sagten: „Warum sind sie so dumm – sie haben ein Maultier, aber trotzdem laufen beide?!“
John Lydgate sagte einmal: „Manchen Leuten kannst du es immer recht machen, allen Leuten kannst du es manchmal recht machen, aber du kannst es nie allen immer recht machen.“
Es wird immer welche geben, die dich kritisieren – egal was du tust, also kannst du auch gleich das Richtige tun. Wenn wir Krishna erfreuen, ist unser Leben vollkommen. Wir sollten enthusiastisch sein, mit der richtigen Absicht das Richtige zu tun. Dann können andere sagen was sie wollen, aber wir wissen, dass Krishna oder Gott im Herzen zufrieden ist. Gleichzeitig gilt, dass je authentischer wir werden, desto mehr wird diese Aufrichtigkeit von anderen erkannt werden und sie beeinflussen.
Aus einem Vortrag von Radhanatha Swami (29. November, 2014), www.radhanathswami.com
Foto: Juan Gnecco
Konzentriere dich auf das Wesentliche und entfliehe der „Tyrannei“ der eintausend dringenden Dinge
Seit vielen Jahren bewegt sich das Leben schneller. Vorbei sind die Tage des friedlichen Reflektierens. Stattdessen ist das Leben der Durchschnittsperson gefüllt mit vielen kleinen und großen Projekten – die meisten davon unwesentlich. Wir werden überflutet mit Informationen, Nachrichten, Gesprächen, Jobs, Tätigkeiten, Verbindlichkeiten, Pflichten, Beziehungen, Konferenzen, Reisen und obendrein kommt dann noch der „Segen des Internets“. Während unsere Leben davon eilen, scheint die Liste der dringend anliegenden Dinge täglich nur länger zu werden und mehr Stress zu verursachen.
Dennoch nehmen diese eintausend Dinge unsere Aufmerksamkeit völlig in Anspruch. Wenn wir nicht vorsichtig sind, können sie uns so sehr beschäftigen, dass sie unsere Fähigkeit tief zu denken und zu fühlen begraben.
Einmal habe ich einen Mönch getroffen, der all seinen Besitz in einer einzigen kleinen Reisetasche aufbewahrte. Mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen erzählte er mir eines Tages: „Wenn ich nicht alle drei Monate diese Tasche durchschaue und alles, was überflüssig ist, aussortiere, wird meine Tasche entweder platzen oder ich muss eine zweite dazu kaufen.“ Nach einer Pause fügte er hinzu: „Wir müssen in unseren Leben dasselbe machen und regelmäßig das Haus putzen. Wenn wir das nicht tun, werden wir entweder explodieren oder unser Leben ausleben und dann einen neuen Körper annehmen, in dem wir uns dann weiter mit all diesen eintausend Dingen verstricken!“
Ich denke, wir wissen alle, was der Mönch damit meint. Seine Botschaft ist einfach: setze Prioritäten, konzentriere dich auf das Wesentliche und Kraftspendende, und wisse, wenn du es nicht tust, erwarten dich Schwierigkeiten.
Wisst ihr, wie ein Dompteur ein gefährliches Raubtier zähmt? Er lähmt seine Willenskraft! Wenn er den Käfig mit dem darin kauernden Tiger betritt, hält er einen Stuhl mit vier identischen Beinen vor sich. Das genügt, um den gefährlichen König des Dschungels völlig zu lähmen. Warum? Weil er keine Prioritäten setzen kann; er kann sich nicht entscheiden, welche der vier Beine er zuerst angreifen soll. Dies gibt dem Dompteur einen Vorsprung an Autorität und Kontrolle. Allmählich wird dem Tiger beigebracht, dass er selbst für sein Futter den Dompteur zufrieden stellen muss.
Viele von uns sind auf ähnliche Weise gelähmt, überwältigt von den eintausend dringenden Dingen auf unserer Liste, von denen jedes gleich wichtig erscheint. Wir können uns nicht entscheiden, was wir zuerst erledigen, oder was wir einfach ignorieren sollen. Nicht ausreichend zu priorisieren ist lähmend. Wenn wir die natürliche Fähigkeit verlieren, zwischen dem Wichtigen und Unwichtigen zu unterscheiden, ist unsere ganze Freiheit verschwunden und wir wissen nicht mehr weiter. Das erste, das wir vergessen, ist, dass wir ein ewiges, glücksseliges Teil Gottes sind, und dass aus dieser Perspektive der Ewigkeit nichts in dieser Welt, – ob gut oder schlecht – , es Wert ist, sich dafür versklaven zu lassen.
Was ist wichtig?
Das Shrimad-Bhagavatam gibt uns einen interessanten spirituellen Rat über das Priorisieren, in dem es uns lehrt, was zuerst kommt: „Es gibt kein größeres Hindernis für das Selbstinteresse, als zu denken, andere Themen seien erfreulicher, als die eigene Selbstverwirklichung.“ (SB 4.22.32) Shrila Prabhupada erklärt in seiner Erläuterung zu diesem Vers, dass das Bhagavatam sich mit „Selbstverwirklichung“ auf die Verwirklichung des eigenen individuellen Selbstes zusammen mit der Verwirklichung des höchsten Selbstes, Shri Krishna, bezieht.
Zwei einfache Techniken, die mir helfen, meine Prioritäten zu finden:
1) Ich frage mich immer wieder: „Was ist es, das ich im Moment nicht tue, (aber weiß, dass ich es tun sollte) – das mein Leben entscheidend verbessern würde?“
Wenn ich eine Antwort finde, etwa im Zusammenhang mit meinem spirituellen Leben, widme ich mich anderen Bereichen, wie der Gesundheit oder Beziehungen und stelle mir die Frage erneut. Jedes Mal erstaunen und inspirieren mich die Ergebnisse dieser Technik aufs Neue.
2) Ich gehe in Gedanken an mein Lebensende und schaue von dort aus zurück. Dann stelle ich mir die Frage: Welches von den vielen Dingen war wirklich gut? All das, was mich dann inspiriert und „mit Kraft anschaut“ ist eine Priorität, die ich sogleich auf meine Prioritätenliste setze. Wenn wir inmitten tausend kleiner Dinge stecken, neigen wir dazu nur das zu sehen, was sich direkt vor uns befindet. Wir sind wie einer, der durch eine atemberaubende Landschaft spaziert, aber nur auf den Weg direkt vor ihm starrt – bis er mit dem Kopf gegen einen tief hängenden Ast stößt. Wenn ich jedoch vom Standpunkt des Todes aus auf mein Leben zurückblicke, interessiere ich mich nur für die wirklich wesentlichen Dinge: Beziehungen, selbstloser Dienst, Augenblicke, die es mir ermöglichen zu vergeben, spirituell erfüllt zu sein oder Mitgefühl zu zeigen.
Dies sind die Dinge, auf die wir uns konzentrieren sollten, solange wir die Kraft, Intelligenz und das offene Herz dafür haben. Diese Art Aufgaben, bei denen man über den Tellerrand schaut, sind die essentiellen und energie-gefüllten Projekte, die wir aus den Millionen Handlungsmöglichkeiten, die uns das Leben bietet, priorisieren sollten. Und wir sollten sie jetzt erledigen, denn eines der Dinge, die man im Augenblick des Todes klar erkennt, ist, dass es wirklich immer nur das Jetzt gibt.
Der Nutzen davon Prioritäten zu setzen
Priorisieren ruft zwei Kräfte in uns hervor:
1) Die Kraft zu allem Unwichtigen „nein“ zu sagen und es wie unnötigen Müll rauszuschmeißen.
2) Die Kraft das Wichtige zu tun und unser höchstes spirituelles Ziel zu erreichen.
Autor: Sacinandana Swami, www.sacinandanaswami.com
Foto: Iwan Beijes
Das Problem des Bösen
Für viele ist der Gedanke, dass es angesichts des ganzen Leides, das Menschen widerfährt, Gott geben soll, unbegreiflich.
Ihre Argumentation ist wie folgt:
Gott werden (mindestens) die folgenden drei Eigenschaften nachgesagt:
1) Er weiß alles, d.h. er weiß auch, dass es das Böse (Leid) gibt.
2) Er ist gut, d.h. er möchte das Böse aufhalten.
3) Er ist allmächtig, d.h. er kann das Böse aufhalten.
Da es aber trotzdem Böses gibt, kann es keinen Gott mit diesen drei Eigenschaften geben.
Doch diese Argumentation übersieht etwas: die Möglichkeit, dass es ein größeres Unheil wäre, wenn Gott das Böse abschaffen würde – dann würde er nämlich den freien Willen abschaffen. Den Seelen einen freien Will zu verleihen heißt, ihnen die Freiheit zu geben eigene Entscheidungen zu treffen. Man könnte jetzt verlangen, dass Gott doch in der Lage sein müsste das Böse abzuschaffen und gleichzeitig den freien Willen der Seelen beizubehalten. Das ist aber eine unlogische Forderung – wie die Forderung Gott solle ein rundes Viereck schaffen. Genauso wie es keine runden Vierecke gibt, ist es nicht möglich jemandem einen freien Willen zu geben und dann festzulegen für was er oder sie sich entscheiden soll. Diese Eigenschaften schließen einander aus. Es gibt keinen freien Willen, bei dem man so programmiert ist, dass man etwas Bestimmtes wählen muss.
Gott stellt jedoch sicher, dass die Auswirkungen der Benutzung des eigenen freien Willens andere nicht außerhalb ihres eigenen Karmas begünstigt oder schadet. (Die Idee des Karmas besagt, dass jede Handlung eine Folge nach sich zieht – und das nicht unbedingt im derzeitigen Leben. Gute Taten führen zu positiven Folgen, schlechte Taten zu negativen.) Das heißt, dass wir jedes Leid, dass uns wiederfährt, auf die ein oder andere Weise in diesem oder in einem früheren Leben schon einmal einem anderen Lebewesen zugefügt haben. (Dieses Naturgesetz gibt natürlich niemandem das Recht anderen Schaden zuzufügen, noch heißt es, dass solche Handlungen nicht bestraft werden sollten.)
Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass die Erfahrung von Leid der Entwicklung der Seele helfen kann. Leid zu erfahren macht den Menschen sensibler und lässt ihn tiefgründiger verstehen, was Leid ist. Durch diese stärkere Feinfühligkeit kann man Leid dann auch besser in anderen erkennen und die Neigung anderen Wesen – auch nur im geringsten Maße – Schaden zu zufügen nimmt ab. Letztlich ist die Gefühllosigkeit oder Abgestumpftheit gegenüber dem Leid anderer der Grund, warum Lebewesen anderen Lebewesen Schaden zufügen. Indem sie selber Erfahrungen mit Leid sammeln, nimmt diese Abgestumpftheit ab und das Bewusstsein des Lebewesens kann sich weiter entwickeln.
Alles in allem ist es also durchaus möglich, dass es gleichzeitig Böses und einen Gott gibt, der alles weiß, gut ist und allmächtig ist, wenn das Böse einem wichtigeren Wert dient, nämlich der Erhaltung des freien Willens.
aus einem Vortrag von Hridayananda dasa Goswami (2011, Hawaii), hdgoswami.com
Foto: Troy Stoi
Einheit und Verschiedenheit
Die Philosophie der Existenz – Ontologie genannt – hat schon viele Denker bis spät in die Nacht wach gehalten. Mittlerweile gibt es unzählige Erklärungen und Beschreibungen der Wahrheit bzw. ewigen Existenz. Die vielleicht grundlegendste Frage ist: ist die Wahrheit letztendlich eins oder gibt es so etwas wie eine ewige Vielfalt oder Verschiedenheit?
Monisten lehnen die Verschiedenheit als illusorisch ab und berufen sich darauf, dass die Wahrheit letztlich als eine unpersönliche Einheit existiert. Diese Sichtweise, welche Verschiedenheit kategorisch ablehnt, ist – aus philosophischer Sicht – nicht unproblematisch: 1) Wenn es nur eine wahre Substanz gibt und nichts zweites, woher kommt dann die Illusion? 2) Wie kann es sein, dass andere Seelen „in Illusion“ bleiben, wenn eine Seele Erleuchtung erlangt, wo doch, gemäß dieser Philosophie, alle Seelen letztlich die eine, gleiche Seele sind?
Ebenso problematisch sind Philosophien, welche davon ausgehen, dass es keine Einheit in der Wahrheit gibt und sie letztlich aus unzähligen, unzusammenhängenden Teilen besteht. Deutlich wird: die Idee, Einheit oder Vielfalt völlig zurückweisen zu wollen, ist sehr abwegig.
Viele klassische griechisch-römische Philosophen und auch hervorstechende Denker Indiens lösten diese in Sackgassen endenden Denkrichtungen auf, in dem sie das Offensichtliche aussprachen: die Wahrheit ist letztlich sowohl eins, als auch verschieden. Auch Shri Chaitanya vertritt diese Philosophie, welche er achintya-bedha-abedha nannte. Demnach sind Gott und die einzelnen Seelen sowohl eins, als auch verschieden voneinander.
Ein Beispiel, dass hierfür gegeben wird, ist ein gesundes, romantisches Pärchen. Ein Pärchen (Einheit) besteht aus zwei Individuen (Verschiedenheit). Die Beziehung ist gesund, wenn Einheit und Verschiedenheit richtig balanciert sind. Wenn einer der beiden (oder beide) keine richtige Identität außerhalb der Abhängigkeit vom anderen hat, ist die Einheit zu stark. Wenn die beiden kaum Zeit miteinander verbringen und sich über nichts mehr einig werden, ist die Verschiedenheit zu stark. Man kann also sagen, die beiden sind sowohl eins, als auch verschieden.
Ein anderes Beispiel ist die Wahrnehmung. Ein Mensch, der zu einer gesunden Wahrnehmung im Stande ist, muss zu zwei Dingen fähig sein: einzelne Objekte zu erkennen und ein kohärentes Ganzes zu bilden. Im Sanskrit nennt man diese beiden Fähigkeiten vyasa (differenzieren) und samasa (zusammenführen). Wenn man bei einem Spaziergang zum Beispiel nicht in der Lage ist, den Unterschied zwischen der Straße und dem Fußgängerweg wahrzunehmen, dann hat man ein Problem. Andererseits ist man auch in der Lage alle Einzelheiten, die man wahrnimmt zusammenzuführen zu der einheitlichen Erfahrung „Ich mache einen Spaziergang.“
Auf die ewige Wahrheit angewandt, heißt das, wie gesagt, dass Gott und die individuelle Seele letztendlich sowohl eins, als auch verschieden sind. Shrila Prabhupada drückte es oft so aus: die Seele ist qualitativ eins mit Krishna, oder Gott, und quantitativ verschieden. Das heißt, dass die ewige, erleuchtete Seele die gleichen Eigenschaften wie Gott besitzt – zum Beispiel, dass sie glücklich ist und eine ewige spirituelle Persönlichkeit hat – aber nicht in dem gleichen quantitativen Ausmaß. Während die Seele sich zum Beispiel meist nur über bestimmte Teile der Wahrheit bewusst ist (die eigenen Gedanken und Wahrnehmungen), durchdringt Gottes Bewusstsein alles. Jede einzelne Seele ist demnach also, sowohl mit allen anderen Seelen und Gott eins und verbunden, als auch eine getrennte, individuelle Person.
aus einem Vortrag von Hridayananda dasa Goswami (29. März, 2009), hdgoswami.com
Bild: Bartek Ambrozik